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Wie werde ich Karate-Meister?

Aktualisiert: 2. Apr. 2020

Der schwarze Gürtel ist das fast schon mythische Symbol des Karate-Meisters. Aber wie kann man ihn erreichen? Die einfache Antwort lautet natürlich: Üben, üben, üben. Hier erfährst du, was genau "Üben" bedeutet und wie du die Ausdauer aufbringst, um es zu schaffen.


Wer möchte ihn nicht - den schwarzen Gürtel?


Es ist beeindruckend, was manche Kampfkunst-Meister immer wieder vollbringen. Meine persönliche Lieblingsgeschichte habe ich vor knapp 20 Jahren erlebt, als ich noch in Freiburg bei Shihan Rauscher trainierte, einer der Koryphäen der Kampfkunst in Deutschland. Im Training merkte man Kraft, Präzision und Kontrolle, aber er hatte auch eine ruhige und entspannte Art, stellenweise konnte man das schon gemütlich nennen.

Auf jeden Fall ein Vorbild und ein großartiger Trainer - aber wenn man an die Hong Kong Action Filme denkt oder auch die Japanischen Filme - da wurde schon ein anderes Tempo vorgegeben. Herr Rauscher war schon etwas älter, da dachte ich mir, dass seine Gemütlichkeit daher kommen würde und er eben nicht mehr so schnell sei.

Wie man sich täuschen kann ...

Wir waren auf der Europameisterschaft bei Paris und Rauscher Hanshi gab auf einem Workshop am Tag zuvor eine Einführung in das Combat Arnis. Er hat diesen philippinischen Stockkampf in Deutschland populär gemacht, in Frankreich war diese Kampfkunst zu jener Zeit noch nicht sehr verbreitet. Er nutzte daher die Gelegenheit, um mehr Bewusstsein dafür zu schaffen.


Combat-Arnis Partnerübung

Philippinisches Combat Arnis - Foto von Andrew Villasis


Ich habe die folgende Szene noch bildlich vor mir. Herr Rauscher stand in der Trainingshalle umgeben von einer großen Menge Interessierter in seiner ruhigen Art da. Er bat seinen Meisterschüler Christian Kehl Renshi (noch so eine Koryphäe!), ihn mit der eins anzugreifen (das ist ein Schlag auf die rechte Schulter). Christian explodierte vorwärts, bremste präzise, Herr Rauscher beobachtete den Schlag wie immer ganz gelassen und nickte. "Nochmal" meinte er dann ganz ruhig. Wieder explodierte sein Schüler vorwärts.

Aber das war nichts im Vergleich zu Shihan Rauscher. Ich habe nicht einmal mehr gesehen, wie er sich bewegte. Es gab einen Knall, als die Stöcke aufeinanderprallten. Christians Stick flog nach einer unsichtbar schnellen Entwaffnung durch die Luft, er selbst auf den Boden, wo er in einem Hebel fixiert liegen blieb. Herr Rauscher aber - und das ließ mir den Mund offen stehen - stand wieder ganz gemütlich da - nur eben nicht mehr da, wo er vor einem Blinzeln noch gestanden hatte, seinen Stock locker in Bereitschaft und in seiner ganz ruhigen Art, die ich aus dem täglichen Training kannte, erklärte er: "Ja, gut. Ja. Jetzt kann ich hier hin schlagen, da hin und da hin" und tippte gemütlich mit seinem Stock auf die entsprechenden Stellen des durch den Hebel am Boden fixierten Christian.


Ein beeindruckender Moment, der mir mein Leben lang bleiben wird. Der aber auch die Frage aufwirft: Wie wird man selbst so gut? Wie wird man ein Karate-Meister?

Übung macht den Meister.

Ein wahres Sprichwort, das natürlich auch für die Kampfkunst gilt. In jedem Training wiederholen wir die gleichen Techniken, üben die Abwehrbewegungen auf verschiedenen Stufen, die Angriffe, mal alleine, mal mit Partner, mal in der Kata. Immer wieder, bis sie uns in Fleisch und Blut übergehen.

Gerade jetzt, in den Zeiten des Corona-Virus, trennt sich dabei die Spreu vom Weizen. Denn die einen trainieren nur, wenn sie ins Dojo gehen. Das ist jetzt nicht möglich, somit ist der äußere Antrieb weg und man sagt sich vielleicht noch "eigentlich sollte ich ja" aber dann weiß man nicht, wo anfangen und überhaupt, da müsste noch etwas geputzt werden und sowieso ist die Couch gerade sehr bequem.

Die anderen trainieren weiter, unabhängig davon, dass der äußere Anlass wegfällt. Sie nutzen unsere Übungsvideos, ganze Trainingseinheiten, die im internen Bereich verfügbar sind. Aber nicht nur das, sie üben Grundtechniken, laufen ihre Katas und nötigen Lebensgefährten, Mitbewohner, Kinder, zur Not auch die Haustiere, mit ihnen Partnerübungen zu machen.

Es ist jetzt schon klar, wer wo steht, wenn das Dojo wieder öffnet. Aber nicht nur in diesen Zeiten gibt es den Unterschied. Schon die Art, was "üben" eigentlich ist, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch: Manche üben, manche spielen nur. Dieser Sinnspruch stammt aus der Musik.

Zwei Musiker arbeiten jeden Tag je eine Stunde mit ihrem Instrument. Die eine - nennen wir sie Antonia - wird immer besser, macht Fortschritte, schafft schwierigste Passagen. Der andere - nennen wir ihn Bertram - tritt auf der Stelle, obwohl er die gleiche Zeit investiert. Warum? Für Bertram ist die Sache klar: Antonia hat einfach mehr Talent, eine natürliche Gabe.

Aber der Unterschied ist: Bertram spielt. Er nimmt sein Instrument, spielt Lieder und Übungen die er beherrscht, bei den kniffligen Stellen huddelt er etwas, das geht schon. Antonia hingegen übt. Sie spielt Übungen, die nicht schön klingen, aber die Finger richtig trainieren. Sie lernt Stücke und wiederholt die schwierigen Stellen so oft, bis sie sie besser beherrscht als die leichten.

Wenn du Karate-Meister werden willst, dann sei eine Antonia: Übe, und spiele nicht. Es geht nicht darum, möglichst schnell drei Meister-Katas ungefähr laufen zu können und dafür dann einen schwarzen Gürtel zu bekommen. Es geht darum, die Techniken wirklich zu beherrschen. Im Zweifel die Grundschule des Weißgurtes noch einmal - zum zehntausendsten Mal - zu wiederholen, damit sie stimmt. Nicht huddelig, weil man es halt machen muss, sondern konzentriert, um die letzten Fehler auszumerzen, die letzten Prozente herauszukitzeln.

Bruce Lee wird das folgende Zitat in den Mund gelegt:

Ich fürchte nicht den Mann, der 10.000 Kicks einmal geübt hat, aber ich fürchte mich vor dem, der einen Kick 10.000 mal geübt hat.

So weit, so gut. Bisher gab es noch keine große Überraschung, vermute ich. Ich muss trainieren, wirklich üben. Seltsamerweise macht das einigen Menschen Schwierigkeiten, während es anderen leicht von der Hand geht. Dazu gibt es einen interessanten TED Talk, der aus der Perspektive des Fitness-Trainings diese Unterschiede analysiert:



Danach geht es um die Wahrnehmung. Worauf fokussiere ich meinen Blick, während ich trainiere? Habe ich eine hohe Motivation, eine "das will ich schaffen"-Mentalität? Achte ich auf das Ziel, das ich erreichen möchte? Oder lasse ich meinen Blick schweifen und beobachte die Landschaft?

Tatsächlich beeinflusst diese Form der Wahrnehmung, wie schwierig bzw. anstrengend eine Übung scheint. Wer beim Laufen hoch motiviert auf das Ziel achtet, hält die Distanz für kürzer und fühlt sich nach dem Lauf weniger erschöpft als jemand, der geringe Motivation hat und den Blick schweifen lässt.

Tatsächlich hat die Studie den wortwörtlichen Blick getestet, d. h. die eine Hälfte der Teilnehmer wurde angehalten, nur auf die Zielfahne zu achten, während die andere die Umgebung mit betrachten sollte. Der Unterschied in der gefühlten Anstrengung, die für die gleiche Aufgabe nötig war, war signifikant.

Wenn du also richtig üben willst, um ein Karate-Meister zu werden willst, auch bei den schwierigen Stellen durchhalten und auch dann weitermachen willst, wenn es gerade unpassend ist. Dann benötigst du die richtige Geisteshaltung:

Nur wenn du ein klares Ziel vor Augen hast, bist du motiviert genug, um so zu üben, dass du ein wirklicher Meister wirst.

Das Ziel ist nicht eine externe Belohnung, die du dir für den Erfolg erlaubst. Keine Duplos zwischen den Seiten im Buch für die Uni, und immer wenn man die Seite durchgearbeitet hat, darf man das entsprechende Duplo essen. Das ist nur kurzfristig. Es geht darum, das Wissen des Buches wirklich im eigenen Kopf haben zu wollen. Das Wissen selbst ist aber nicht der Selbstzweck, es kann nicht als Ziel dienen. Es gibt einen Grund, warum ich das Buch verstehen will: Es ist der Traumberuf, für den ich studiere. Ich will in diesem Beruf aufgehen, ich will eine Koryphäe sein, ich will, dass ich meine Arbeit richtig gut mache. Dafür brauche ich das Wissen. Das ist mein Ziel: dieser Traumberuf.

Wenn wir uns dieses Bild vor Augen halten - den Karate-Meister, der wir einmal sein wollen, unser zukünftiges Ich, das den schwarzen Gürtel gar nicht tragen muss, weil es selbst weiß: Ich kann das! und somit keine externen Zeichen dafür benötigt - wenn dieses Bild in unserem Kopf ist, dann fallen die Übungen plötzlich leicht. Dann macht es Spaß, die Techniken zu wiederholen, die schwierigen Stellen einzuschleifen, auf die kleinen Details zu achten. Denn all dies ist nicht mehr so anstrengend, weil es einem Zweck dient: Ich gestalte mein zukünftiges Ich.

Niemals werde ich so gut werden wie Rauscher Hanshi oder Kehl Renshi. Aber diese Vorbilder täglich zu erleben hat mir das Bild gegeben, was ich erreichen möchte. Es hat meinen Blick fokussiert auf diese Vorbilder, auf dieses Ziel. Noch heute scheint mir daher manche Übung leichter, die für andere eine Plage ist.


Habe ein Ziel, ziehe daraus die Motivation zu üben - und der beschwerliche Weg zum Karate-Meister wird leichter - und er wird dir viel Freude bringen.


Zum Abschluss, hier noch ein kleiner Motivations-Kick (wörtlich):



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